Noch existieren einsatzfähige Quantencomputer nicht. Deutsche Unternehmen können die Technologie trotzdem bald nutzen. Und das, ohne dafür zu investieren.
München. Deutschlands Industrie bekommt bald einen Zugang zu modernster Quantentechnologie. Über die Cloud können die Firmen vom kommenden Jahr an auf Quantenanwendungen zugreifen. „Wir wollen den Unternehmen zeigen, was heute schon mit Quantencomputing möglich ist“, sagte Markus Pflitsch, Chef und Mitgründer des Start-ups QMWare, dem Handelsblatt.
Wie zu Wochenbeginn bekannt wurde, ist die Münchner Firma Teil eines Konsortiums, das jetzt vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragt wurde, eine Quantencloud-Lösung für Firmen aufzubauen. Von QMWare stammen Hard- und Software für das Vorhaben.
Quantencomputer sollen mit sogenannten Qubits arbeiten. Die Recheneinheiten können nicht nur null oder eins darstellen wie die Bits herkömmlicher Computer, sondern auch beliebige Werte dazwischen. Das macht unvorstellbare Zahlen von Berechnungen in kurzer Zeit möglich.
An der Technologie wird weltweit geforscht. Die Quantencomputer sollen eines Tages Aufgaben erledigen, an denen heutige Superrechner scheitern: Medikamente finden, kryptografische Schlüssel brechen und logistische Probleme lösen. Für den täglichen Einsatz existieren sie aber noch nicht. Allerdings lässt sich simulieren, wie sie funktionieren – und genau das bietet die neue Cloud-Lösung.
Das Projekt sei auf drei Jahre angelegt, so die Partner. Innerhalb dieses Zeitraums bekommen Unternehmen Zugang zur Quantencloud, um auf der Plattform erste Lösungen für Industrieanwendungen zu entwickeln. Der Bund fördert das Vorhaben dem Vernehmen nach mit einem niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Eine Summe nannten die Partner nicht.
Ionos stellt Rechenleistung
Federführend bei dem Projekt ist der Cloud-Spezialist Ionos, eine Tochter des Telekommunikationskonzerns United Internet. Das Unternehmen stellt für die Quantencloud seine Rechenzentren bereit. Mit dabei sind zudem zwei weitere Einrichtungen: die Universität Stuttgart über ihr Institut für Architektur von Anwendungssystemen sowie das Fraunhofer-Institut Fokus, das die digitale Vernetzung und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft, Wirtschaft und Technologie erforscht.
Bei QMWare können Kunden bereits auf derartige Rechenleistung zurückgreifen. Die Firma betreibt dazu in Wien klassische Hochleistungsrechner mit virtuellen Quantenprozessoren. Mit dem neuen Angebot habe die Industrie eine größere Auswahl an Software-Anwendungen, erläuterte QMWare-Chef Pflitsch.
Durch den Rechenzentrumsbetreiber Ionos lasse sich die Lösung auch zügig skalieren. „Wir erhoffen uns eine schnellere Durchdringung des Marktes“, so der Unternehmer.
Quantencomputing gilt als Schlüsseltechnologie der Zukunft. Daher fördert der Bund zahlreiche Projekte auf diesem Feld. Das größte Interesse erwartet das Konsortium eigenen Angaben zufolge zunächst in Industriezweigen, in denen es besonders auf Optimierung, Simulation oder maschinelles Lernen ankommt, etwa in der Telekommunikation, Logistik, Finanz-, Automobil- und Energiewirtschaft.
Dabei gehe es um große Projekte, betonte Pflitsch. Zumindest für die Dax-Konzerne sei das Vorhaben daher auf jeden Fall interessant. Sie müssen nicht selbst in die Technologie investieren, sondern bezahlen nur für die Rechenleistung in der Cloud.